08.08. – 15.08. 14

Bismillahi

Folge 32 / 52
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Folge 32 Bismillahi

„Mbuzi“ heißt die Ziege auf Kiswahili. Seitdem wir in Ostafrika sind, isst John regelmäßig Ziegenfleisch. Denn Ostafrika ist geradezu voller Ziegen. An fast jedem Straßenrand findet man die bärtigen Säugetiere grasen.

Alles Leben fordert Opfer. Die Opferung der Tiere, die als menschliche Nahrung dienen, ist im Laufe der Industrialisierung aus dem Alltag und damit aus dem Bewusstsein der meisten westlichen Menschen immer weiter gerückt. Die meisten Deutschen essen ihre erste Wurst lange bevor sie ihrem ersten Schwein begegnen. Vielleicht ist es auch gut, nicht dauernd an Unangenehmes erinnert zu werden, wenn man es sowieso nicht verändern kann oder will. Die Wahrheit opfern wir der Geistesruhe: eine Opfergabe, die uns geradezu abverlangt wird.

Obwohl der gemeinsame Wortschatz nicht mehr als sieben Wörter enthält, erweist sich der fünfzehnjährige Lama als ein geduldiger Lehrer. Er zeigt John eine flache Schnittwunde, die er ihm bei der Schlachtung versehentlich verpasste. Und eine fette Narbe, die er sich selbst bei einer früheren Ziegenschlachtung gab.


Der siebzehnjährige George isst mit Elisa zusammen nur Bohnen und Reis, denn er hat eine Allergie gegen Ziegenfleisch. Danach zeigte er ihr stolz seine Schuluniform. Mary, deren Eltern erfolgreiche Geschäftsleute waren, hatte das Glück, in Kenia zur Schule zu gehen. Deshalb spricht sie sehr gutes Englisch, wofür wir auch dankbar sind. Das Niveau und die Verbreitung von Englischkenntnissen sind in Tansania nicht mit Uganda oder Kenia zu vergleichen.

Mbuzikalisches Opfer – Eigentlich hat John nicht damit gerechnet, dass er die ganze Ziege selbst häuten und zerteilen würde. Als er darauf bestand, selbst das Tier zu schlachten, dachte er zunächst nur an den Todesschnitt. Lama ließ seinen Schüler aber nicht gehen, ohne die einmal begonnene Opferarbeit beendet zu haben.

Über das deutsche Wort „Opfer“ rätselt John seit vielen Jahren, denn wie viele religiöse Begriffe vereint es in einem einzigen Nenner mehrere scheinbar widersprüchliche Ideen. „Opfern“ heißt sowohl töten wie auch schenken. Hinzu kommt, dass jedes Opfer auch eine Entbehrung oder einen Verlust bedeutet. Um diese verschiedenen Sinne ins Englische zu übersetzen bräuchte man mindestens drei Wörter: „victim,“ „sacrifice“ und „offering.“ So nannte J.S. Bach „Musikalisches Opfer“ ein Werk, das als Geschenk gelten sollte an den preußischen König, der sich das Werk ausdrücklich bestellt hatte und dem Bach es schwerlich verweigern konnte.